Offener Brief
Betrifft: Erste Bewertung der aufgefunden Listen der „NSU" 

Klarheit oder Staatsräson? >

An

- das Landeskriminalamt Baden-Württemberg
 - den Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof
 

Heilbronn, 15. Dezember 2011
 

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich habe mir lange überlegt, ob ich aufgrund meiner bisherigen Erfahrung mit Ermittlungen bei politisch motivierten Straftaten auf Ihre Nachricht vom 22.11.2011 reagieren soll, in der Sie mir mitteilen, daß auch mein Name auf einer der Listen der terroristischen Vereinigung (NSU) steht.
Immerhin gab es über 160 Straftaten gegen mich und meinen direkten Bekanntenkreis, von der im Laufe der Jahre nicht eine einzige aufgeklärt wurde.
Dazu zählte im September 1992 auch ein gezündeter Sprengsatz unter meinem PKW, der offenbar nur durch Wetterunbilden nicht zur Explosion kam und am 15. Juli 1997 ein Einbruch in mein damaliges Landtagsbüro, bei dem versucht wurde, mir als Ergebnis die abstruse Geschichte eines Einbruchs durch ein völlig unbeschädigtes Sicherheitsfenster weiszumachen.
In allen Fällen wurden die Ermittlungen in aller Kürze eingestellt, wiewohl die Strafanzeigen aufgrund der Umstände wegen des Verdachts der organisierten Kriminalität gestellt wurden.
Sie verstehen daher vielleicht, daß mich auf diesem Gebiet nur noch wenig überrascht, zudem es ja auch den Fall des LKA-Beamten "Axel Reichert" mit seinen ganzen dubiosen Zusammenhänge gab.
Nun hatte ich nach den schrecklichen Gewalttaten, dessen die in Ihrem Schreiben so benannte terroristischen Vereinigung (NSU) beschuldigt wird, die Hoffnung, daß es durch das Ansichziehen der Ermittlungen an den Generalbundesanwalt zu einer klaren Aufklärung unter allen Aspekten der Mordtaten kommen wird.
Darunter verstehe ich, daß es auch zur umfassenden Überprüfung der in diesem Fall bekannt gewordener äußerst dubiosen Methoden staatlicher Sicherheitsorgane kommt, von denen der Eindruck entsteht, daß sie offensichtlich wie ein Staat im Staate agieren.
Nachdem jetzt aber u.a. von T-Online die folgende Aussage der Generalbundesanwaltschaft verbreitet wird:
"Das Motiv für den Mordanschlag der Neonazi-Terrorgruppe NSU auf zwei Polizisten in Heilbronn im Jahr 2007 wird offenbar immer klarer. Die beiden Beamten seien zu Opfern geworden, weil sie 'als Repräsentanten der wehrhaften Demokratie' für die Verteidigung der Grundwerte eingestanden hätten, sagte Generalbundesanwalt Harald Range am Mittwoch in Karlsruhe. Im April 2007 wurde die Polizisten Michele Kiesewetter mutmaßlich von NSU-Terroristen erschossen. Ihr Kollege wurde schwer verletzt" melde ich mich doch zu Wort, denn hier wird den massenhaft zumindest durch die teils widersprüchlichen Berichte bekannt gewordenen Ungereimtheiten die nächste Ungereimtheit aufgesetzt.
Zumindest wird nicht erklärt, weshalb nun das Mordtrio ausgerechnet in meine von Zwickau 300 km entfernte Heimatstadt Heilbronn fahren sollte, um gegen zwei ihnen als die "Repräsentanten der wehrhaften Demokratie" zu Ohren gekommenen Polizisten einen Mordanschlag auszuführen?
Inzwischen dürfte doch klar auf der Hand liegen, daß die an einen Belagerungszustand erinnernde sofort ausgelöste Ringfahndung am 25. April 2007 in diesem Ausmaß nicht allein der kollegialen Verbundenheit zu der getöteten Michèle Kisewetter und ihrem Kollegen galt - denn bis dato ist mir in vergleichbaren Fällen nichts derartiges bekannt.
Wenn dann die tatsächlich seit über 10 Jahren bestehenden Schwierigkeiten bei den Ermittlungen mit Aussagen, wie „veröffentlichte Mutmaßungen anderer können die Ermittlungen der Wahrheit nur stören oder sogar vereiteln“, heruntergespielt werden sollen, so fällt der Vorwurf an jene zurück, die mit ihrer widersprüchlichen und offensichtlich der Staatsräson dienenden Aussagen mehr zur Verwirrung und Vernebelung, als mit umfassender Öffentlichkeitsarbeit zu Klarheit und Wahrheit beitragen.

Mit freundlichen Grüßen

Alfred Dagenbach


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