An den Oberbürgermeister
der Stadt
Heilbronn
-
*
21.067 Kommunale Vorsorge im Falle eines Blackouts
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
die Energiewende verursacht einen umfassenden Umbau des
Stromversorgungssystems. Dazu gehört der schrittweise Ersatz großer,
stetig der Nachfrage anpassbarer zentraler Stromerzeuger (konventionelle
Kraftwerke) durch viele dezentrale Stromerzeuger, deren Produktion der
Verfügbarkeit von Wind und Sonne unterliegt. (Anmerkung: Die
vergleichsweise geringe Stromproduktion aus Biomasse und
Wasserlaufkraftwerken bleibt hier unberücksichtigt, da sie das
Gesamtbild nicht ändert).
Als eine Folge dieser Entwicklung steigt die Instabilität des Netzes
dramatisch an. Das führte bislang deswegen nicht zu großflächigen
Abschaltungen (Brownouts) oder großflächigen automatischen Abwürfen
(Blackouts), weil die Netzbetreiber in Zusammenarbeit mit den Versorgern
in bisher nie dagewesenem Ausmaß ein aktives und vorbeugendes
Netzmanagement betreiben. Auf Dauer wird das jedoch nicht verhindern,
dass es trotzdem zu großflächigen Blackouts oder Brownouts kommen kann.
Mit jeder Windkraftanlage und jeder Photovoltaikanlage steigt dafür die
Wahrscheinlichkeit. Am 8. Januar 2021 war es fast soweit. (Vgl.
Handelsblatt: "Kurz vor Blackout: Europas Stromnetz wäre im Januar fast
zusammengebrochen", 15.01.2021)
Unabhängig davon, gibt es noch weitere Gefahren für die Stabilität
unseres Stromnetzes. Zu diesen gehören beispielsweise Cyberangriffe,
menschliches Versagen, Sonnenstürme, usw. So fern und so
unwahrscheinlich diese potenziellen Ursachen auch erscheinen mögen, sie
sind sehr real und ihre Auswirkungen wären bei der weit
fortgeschrittenen Elektrifizierung unserer Lebenswelt verheerend.
Die damit verbundenen Gefahren sind auch der Bundespolitik bekannt.
Daher erstellte der Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung schon im Jahr 2011 einen umfassenden Bericht
mit dem Titel "Gefährdung und Verletzbarkeit moderner Gesellschaften -
am Beispiel eines großräumigen und langandauernden Ausfalls der
Stromversorgung". Der Bericht zeigt in aller Deutlichkeit die gewaltigen
Herausforderungen im Zusammengang mit unserer Stromversorgung und blieb
von der Öffentlichkeit dennoch weitgehend unbeachtet. Ebenso unterblieb
die Ãœbung eines Ernstfalles.
Ohne die im oben genannten Bericht aufgeführten Gefahren und Phänomene
im Einzelnen alle aufzählen zu wollen, lässt sich summarisch
feststellen, dass ein flächendeckender Blackout/Brownout immer
wahrscheinlicher wird. Mit dramatischen Folgen:
Sofort:
- Es erlöschen alle Verkehrsampeln und Leiteinrichtungen mit der Folge von
massenhaften Verkehrsunfällen.
- Tausende Menschen stecken in Fahrstühlen fest.
- Fernzüge stoppen auf freier Strecke und in Tunneln, ebenso wie U-Bahnen
und Straßenbahnen.
- Elektrische Beleuchtung erlischt - Straßen und Gebäude sind nachts
völlig dunkel, Plünderungen sind die Folge.
- Fernseher und Radios verstummen, die Bevölkerung kann nicht informiert
werden. Zur Funktion der Kommunikationsnetze sagt die Broschüre
.Strornausfal'" des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und
Katastrophenhilfe: .Irn Fall eines Stromausfalls wird mit einigen
Stunden Verzögerung das Telefon-Festnetz nicht mehr zur Verfügung
stehen. ( ... ) Die Mobilfunknetze sind zum Teil nicht
notstromversorgt."
- Mit dem Ausfall der Telekommunikation bricht auch das Internet zusammen,
Rettungsdienste können nicht mehr verständigt werden.
- Weder mit dem Elektroherd, noch mit der Mikrowelle können Speisen
zubereitet werden.
- Die Umwälzpumpen der Heizungen haben ihren Dienst eingestellt - in den
Wohnungen wird es kalt.
- Tankstellen können keinen Kraftstoff mehr abgeben, ein Aufladen des
Elektroautos ist unmöglich.
- In den Supermärkten und vielen anderen Geschäften muss der Verkauf
eingestellt werden, weil Scanner und Registrierkassen außer Funktion
sind.
- An Geldautomaten kann kein Geld mehr abgehoben werden.
Nach zwei bis drei Tagen:
- ÖPNV und Individualverkehr sind zum Erliegen gekommen.
- In vielen Orten wird das Trinkwasser knapp.
- Krankenhäuser können wegen des Ausfalls derTrinkwasserversorgung ihren
Betrieb nur noch bedingt aufrechterhalten, auch deswegen, weil ihnen der
Kraftstoff für die Notstromaggregate ausgeht.
- Die 4.800 Trinkwassernotbrunnen in Deutschland sind mit der Versorgung
von im Durchschnitt jeweils mehr als 10.000 Menschen völlig überlastet.
- Die Entsorgung von Abwasser und Fäkalien funktioniert vielerorts nicht
mehr.
- Lebensmittel werden knapp.
- Fast alle Arztpraxen, Apotheken oder Dialysezentren sind ohne Strom
nicht arbeitsfähig.
- Die Aufbewahrung von Verstorbenen in Kühlräumen ist ausgeschlossen.
Dazu wird um Beantwortung folgender Fragen gebeten:
1. Seit wann beschäftigen Sie sich in Ihrem Verantwortungsbereich mit
dem Thema Blackout/Brownout?
a. Wenn noch nicht, wann werden Sie das tun?
2. Wurden bisher Planspiele, Modellversuche oder Ãœbungen zum Thema
Blackout bei Ihnen abgehalten oder durchgeführt? Wenn ja:
a. Welche waren das im Einzelnen?
b. Was wurde simuliert?
c. Welche kommunalen Kräfte waren eingebunden?
d. Welche Schlussfolgerungen zogen Sie aus den Ergebnissen:
i. Für die Verwaltung?
ii. Für die Menschen in Ihrem Verantwortungsbereich?
iii. Für die Wirtschaft in Ihrem Verantwortungsbereich?
Wenn NEIN: Bis wann planen Sie solche Planspiele, Modellversuche oder
Übungen bei sich durchzuführen?
3. Falls Maßnahmen und/ oder Beschaffungen bezüglich Infrastruktur, der
Einrichtung von Notstrukturen bei Behörden, Sicherheits- und
Versorgungskräften durchgeführt wurden, welche waren das
(Stichpunktartig)?
4. Wurde die Durchführung der getroffenen oder angeordneten Maßnahmen
überwacht, bzw. deren Ergebnisse überprüft?
a. Wenn JA, durch wen (z.B. durch Gemeindevertretung, Bürgermeister,
etc.)?
b. Wenn NEIN, warum nicht?
5. Sind die Ergebnisse Ihrer Planspiele, Modellversuche oder Ãœbungen in
die Budgetverhandlungen, bspw. Haushaltsplanungen (Investitionen,
Manpower, Planstellen ect.) ei ngeflossen?
a. Wenn JA, wie genau?
b. Wenn NEIN, bis wann werden Sie das tun?
6. Planen Sie diese Planspiele, Modellversuche oder Ãœbungen zu
periodisieren, indem Sie sie je nach Art im Jahres oder
Mehrjahresrythmus regelmäßig abhalten?
a. Wenn JA, was ist beabsichtigt und in welchem Rhythmus erfolgt die
Durchführung?
b. Wenn
NEIN, bis wann werden Sie das tun?
Mit freundlichen Grüßen
AfD-Fraktion:
Dr. Raphael Benner | Franziska
Gminder MdB | Dirk Schwientek | Michael Seher |
Alfred Dagenbach
<*> zu
den von Ihnen gestellten Fragen nehmen wir wie folgt Stellung:
Bereits in den Jahren 2017/2018 hat die Stadt
Heilbronn - auf der Basis einer Bachelorarbeit eines Absolventen der
Verwaltungshochschule Kehl einen ersten Vorentwurf für eine
Gefahrenabwehrplanung zum Thema Stromausfall erstellt.
Bei der Beschäftigung mit der Materie wird
relativ schnell klar, dass es sich bei einem größeren Stromausfall um
eine hochkomplexe Lage handeln kann.
Aus diesem Grund wurde im Jahr 2019 der
Verwaltungsstab der Stadt Heilbronn in den Prozess der
PlanersteIlung mit einbezogen. Um das Thema
intensiver zu reflektieren, fand im November 2019 ein
Workshop des gesamten Verwaltungsstabes
einschließlich des Kreisverbindungskommandos der
Bundeswehr statt. Ziel dabei war es, den
bestehenden Vorentwurf weiterzuentwickeln bzw. die erÂ
kannten Problemstellungen genauer
herauszuarbeiten. Die Ergebnisse dieses Workshops wurden
schließlich von der Feuerwehr in den
bestehenden Planentwurf integriert. In die Planung von Anfang
an einbezogen war der örtliche Stromversorger
ZEAG/NHF-Netze.
Um das Planwerk noch handhabbar zu halten,
wurden drei Themenblöcke definiert:
- Aufrechterhaltung des Verwaltungsbetriebs
(insb. Information & Kommunikation zur Information der Bevölkerung)
- Aufbau einer Notversorgung (insb. für die
Bevölkerung)
- Aufrechterhaltung von Sicherheit und
Ordnung
Teil der Planung sind z.B. auch die
Darstellung der Möglichkeiten der Treibstoffversorgung,
Notwasserversorgung (Nutzung der vom Bund finanzierten
Trinkwassernotbrunnen) oder vorbereitete Leistungsbescheide.
Die spezifischen Belange der Wirtschaft sind
in dieser Planung - abgesehen von der Einbeziehung des Stromversorgers -
noch nicht berücksichtigt. Die Planung bezieht sich im Wesentlichen auf
die Probleme, die sich bzgl. der Grundversorgung der Bevölkerung bzw.
der Aufrechterhaltung des Betriebs der Verwaltung beziehen.
Diese Planungen sollen weiter ergänzt werden
um eine spezifische Feuerwehreinsatzplanung.
Auf der Basis des ursprünglich angestrebten
Ablaufs war ein in Kraft setzen der Planung für das 11.
Quartal 2020 vorgesehen. Wie bekannt, hat
dann die im März/April 2020 beginnende Corona-Pandemie einen Großteil
der Ressourcen der Stadtverwaltung gebunden, sodass nicht zwingend damit
in Verbindung stehende Projekt zurückgestellt werden mussten. Aus
heutiger Sicht ist ein in Kraft setzen der als besonderer
Katastropheneinsatzplan Stromausfall bezeichneten Planung im IV. Quartal
2021 / I. Quartal 2022 realistisch.
Zu 3.-5.
Im Bereich der Feuerwehr wurden bereits
(investive) Maßnahmen zur Verbesserung der Ausgangssituation für die
Feuerwehr getroffen:
Die Hauptfeuerwache / Integrierte Leitstelle
ist durch zwei fest eingebaute Netzersatzanlagen abgesichert. Durch
bauliche Änderungen innerhalb der Liegenschaft konnte die gegenseitige
Redundanz/Ausfallsicherheit dieser Anlagen weiter verbessert werden.
Nach der Konzeption des Stromausfall-Plans
sollen die Feuerwehrhäuser der Freiwilligen Feuerwehr, soweit der
bauliche Zustand dies zulässt, ebenfalls mit Netzersatzanlagen
ausgestattet werden. Dies dient einerseits der Aufrechterhaltung der
Einsatzbereitschaft der Feuerwehrabteilungen, andererseits entstehen
damit für die Bevölkerung sog. "Leuchtende Inseln" bzw. Anlaufpunkte.
Ein weiterer Vorteil dieser Anlagen ist, dass sie nicht fest eingebaut,
also mobil sind - und
somit theoretisch auch an anderen Standorten
Verwendung finden könnten.
Im Feuerwehrhaus Biberach wurde daher im Jahr
2021 ein 40 kVA-Stromerzeuger aufgestellt und
angeschlossen.
Für die Feuerwehrhäuser Frankenbach und
Kirchhausen wurden ebenfalls bereits solche Stromerzeuger beschafft.
Diese müssen baulich noch installiert werden.
Für die Feuerwehrhäuser Horkheim und
Neckargartach sollen im weiteren Verlauf ebenso die o.g.
Stromerzeuger angeschafft werden.
Weiter in Planung - und mit Haushaltsmitteln
abgesichert - ist die Beschaffung einer mobilen
Tankanlage (zur Betankung von
Fahrzeugen/Geräten unabhängig von Tankstellen).
Ãœber die Mittelanmeldung zum Doppelhaushalt
2021/2022 waren hier sowohl die zuständigen Ebenen der Verwaltung als
auch der Gemeinderat involviert.
Die Stromausfallplanung soll, nach deren in
Kraft treten, im Rahmen von Planspielen/Übungen periodisch überprüft
werden. Zielgruppe wären hier in erster Linie die Führungseinrichtungen
(Führungsstab, Verwaltungsstab). Ein Vollübungsanteil (Übung mit Helfern
im "Gelände") bietet sich hier weniger an.
Freundliche Grüße
Harry Mergel
Oberbürgermeister
LeserFORUM:
Ihre Meinung dazu
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