An den Oberbürgermeister
der Stadt
Heilbronn
*
20.092
Polygamie
Sehr geehrter
Herr Oberbürgermeister,
einem aktuell
bekannt gewordenen Fall zufolge soll es die Möglichkeit geben, daß ein
Moslem in Deutschland in Vielehe mit mindestens 2 Frauen lebt und mit
diesen jeweils mehrere Kinder hat.
Dazu wird um
Beantwortung folgender Fragen gebeten:
1. Sind derartige
Fälle in Heilbronn und wieviele mit welchen Konstellationen bekannt;
2. wie werden
solche Fälle rechtlich behandelt,
2.1 insbesondere auch unter dem Aspekt, daß Bigame in Deutschland unter
Strafe steht;
2.2. wenn nur eine
Frau, ggf. mit Familie, bei uns lebt;
2.2.1 dieser Frau
die Existenz einer weiteren Frau im Ausland, ggf. mit weiterer Famile,
unbekannt ist;
3. welche Folgen hat dies im Falle des Unterhaltsrechts,
3.1 für den
Ehemann bzgl. beider Frauen und ggf. deren Familien;
3.2. für die bei
uns lebende Ehefrau im Verhältnis zu weiteren Frauen und ggf. deren
Familien;
4. welche
Konsequenzen hat in Bezug auf die Punkte unter 3. dies im Anspruch auf
Leistungen der Stadt etc. nach dem Sozialrecht wie Hartz IV jeweils;
5. welche
Konsequenzen hat dies in Bezug auf die im Ausland, z.B. der Türkei,
lebenden Familienangehörigen nach dem dort geltende Familienrecht
(Großfamilie) im Anspruch auf Leistungen der Stadt etc. nach dem
Sozialrecht jeweils;
6. welche - ggf.
besonderen - Rechte hat die Frau nach 2.2.1 in Bezug auf eine Scheidung,
insbesondere, wenn sie sich über die Existenz einer weiteren Ehe ihres
Mannes getäuscht sieht;
6.1 wer kommt in
diesem Falle für die Kosten eines solchen Rechtsstreites auf, wenn
Sozialleistungen wie Hartz IV etc. in Anspruch genommen werden müssen;
6.2 welche
Erstattungen von Bund und Land erfolgen, wenn zu 6.1 die Stadt für
Leistungen in Anspruch genommen wird;
7. welche weiteren
Besonderheiten gibt es in solchen Fällen?
Im Rahmen einer nachhaltigen und
sparsamen Haushaltsführung und einer umweltfreundlichen Reduzierung des
Papierverbrauchs bitten wir um Abhilfe, Stellungnahme und Rückantwort
per zeit- und kostensparenden einfachem eMail.
Vielen Dank.
Mit freundlichen Grüßen
AfD-Fraktion:
Dr. Raphael Benner | Franziska
Gminder MdB | Dirk Schwientek | Michael Seher |
Alfred Dagenbach
<*>
zu Ihrer Anfrage zum Thema Polygamie haben
wir weitere Ämter um Stellungnahmen gebeten. Wir bitten um Verständnis,
dass uns noch nicht alle Stellungnahmen vorliegen. Wir werden Ihre
Anfrage baldmöglichst beantworten.
Freundliche Grüße,
In Vertretung
Katja Liebenow
Stadt Heilbronn - Bürgeramt
1.10.2020
<*>
auf Ihre Anfrage zum Thema
Polygamie haben wir zusätzlich das Rechtsamt, das Amt für Familie,
Jugend und Senioren sowie das Jobcenter Heilbronn um Stellungnahme
gebeten. Diese liegen nun
alle vor und wir können Ihre Fragen wie folgt beantworten:
Zu Ziff. 1 Ihrer Anfrage:
Dem Jobcenter Heilbronn sind zwei Fälle einer "Mehrehe" bekannt, bei
denen der Ehemann und seine Ehefrauen mit den Kindern in Deutschland
leben. Zur sozialhilferechtlichen Behandlung siehe Ziff. 4.
Bei der Ausländerbehärde und beim Amt für Familie, Jugend und Senioren
sind diese Fälle nicht in
dieser Konstellation aufgetreten, siehe unten.
Zu Ziff. 2 bis 2.2.1 Ihrer Anfrage:
Ehe im Sinne des Art. 6 Grundgesetz ist nur die Einehe. In Deutschland
darf daher niemand eine Ehe schließen, solange er mit einer dritten
Person verheiratet oder durch eine Lebenspartnerschaft verbunden ist (§
1306 BGB). Eine unter Verstoß gegen dieses Verbot geschlossene Ehe ist
aufhebbar (§ 1314 BGB). Das Eheverbot ist Folge des O.g. Grundsatzes der
Einehe, der durch § 172 StGB auch strafrechtlich geschützt ist. Eine
trotzdem in Deutschland geschlossene Doppelehe ist bis zur
rechtskräftigen Aufhebung wirksam, d.h. nicht von vornherein nichtig.
Eine Ehe kann durch richterliche Entscheidung auf Antrag aufgehoben
werden. Antragsberechtigt sind in diesen Fällen jeder Ehegatte, bei
einer Doppelehe auch die dritte Person und die zuständige
Verwaltungsbehörde, in Baden-Württemberg das Regierungspräsidium
Tübingen.
Vor einer Eheschließung prüft das Standesamt, ob Ehehindernisse oder
Eheverbote vorliegen, wie z.B. eine bereits bestehende Ehe. Bei
Auslandsbezug muss ein Ehefähigkeitszeugnis vorgelegt werden, in dem der
ledige bzw. geschiedene Familienstand bescheinigt wird und dass keine
Ehehindernisse nach dem Heimatrecht des Ehekandidaten vorliegen. Bei
Staaten, die kein Ehefähigkeitszeugnis ausstellen, ist ein
Befreiungsverfahren beim Oberlandesgericht Stuttgart durchzuführen.
Wenn Personen in einem Land, das die "Mehrehe" erlaubt, die Ehe
geschlossen haben, obwohl ein
Ehegatte bereits verheiratet war, wird die zweite Ehe auch in
Deutschland als wirksam angesehen,
wenn die Voraussetzungen für eine wirksame Eheschließung nach dem Recht
dieses Landes (sogeÂ
nanntes Ortsrecht) erfüllt sind. Im Einzelfall, insbesondere wenn ein
enger Inlandsbezug besteht (z.B. Erstehe mit einer deutschen Ehefrau)
kann ein Verstoß gegen den ordre public (Verkörperung der grundlegenden
inländischen Wertvorstellungen) vorliegen, mit der Folge, dass die Ehe
aufhebbar ist.
Für die Anerkennung einer im Ausland geschlossenen Ehe gibt es in
Deutschland kein bestimmtes Verfahren und auch keine dafür allein
zuständige Behörde, sodass auch kein zentrales Register besteht.
Die Frage der Wirksamkeit einer im Ausland erfolgten Eheschließung für
den deutschen Rechtsbereich ist stets nur eine Vorfrage im Zusammenhang
mit der Entscheidung über eine andere Amtshandlung.
Diese Vorfrage muss dann von der jeweils für die Amtshandlung
zuständigen Behörde in eigener Verantwortung entschieden werden, wie
z.B. durch die Ausländerbehörde im Falle eines Ehegattennachzugs oder
durch das Standesamt bei der Prüfung einer Eheanmeldung.
Regelungen des Aufenthaltsrecht:
Eine weitere Ehefrau neben der erstbekannten Ehefrau kann nach o.g.
Grundsätzen keine eheÂ
bedingte Aufenthaltserlaubnis erhalten.
Ist ein Ausländer gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet und
lebt er gemeinsam mit einem
Ehegatten im Bundesgebiet, wird deshalb gemäß § 30 Abs. 4 AufenthG
keinem weiteren Ehegatten
eine Aufenthaltserlaubnis für den Ehegattennachzug erteilt.
Es sind allerdings trotzdem ausländerrechtliche Konstellationen denkbar,
in welchen auch die "Zweitfrau" über ein legales Aufenthaltsrecht im
Bundesgebiet verfügt. So könnte die .Zweitfrau" eine
Aufenthaltserlaubnis aufgrund der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft
oder eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Erwerbstätigkeit haben.
Diese werden unabhängig vom Ehegatten erteilt und verlängert. Vom melde-
und ausländerrechtlichen Familienstand her gelten diese Frauen aber
nicht als verheiratet und sind auch nicht mit ihrem Ehegatten verknüpft.
Zu Zift. 3 bis 3.2 und 4 Ihrer Anfrage:
Ausländer, die im Besitz einer Aufenthaltsgestattung oder einer Duldung
sind, können Leistungen
nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) beim Amt für Familie,
Jugend und Senioren beantragen. Hierbei gilt die sog. Kernfamilie als
Bedarfsgemeinschaft, die aus minderjährigen Kindern und den beiden
Elternteilen besteht. Als Ehepartner gelten zwei Personen. Wenn weitere
Personen im selben Haushalt leben, bilden diese leistungsrechtlich eine
eigene Bedarfsgemeinschaft. Wie unter Ziff. 1 genannt sind nach dem
AsylbLG keine Fälle von zwei Bedarfsgemeinschaften in einem Haushalt
aufgrund von zwei "Ehefrauen" bekannt. Es liegen lediglich Fälle mit
mehreren Bedarfsgemeinschaften im selben Haushalt vor, wenn volljährige
Kinder oder Verwandte wie Großeltern, mit der Kernfamilie in
Haushaltsgemeinschaft leben.
Ähnlich ist es leistungsrechtlich im SGB 11 geregelt. Hier bildet bei
Vielehen der Ehemann mit einer seiner Frauen eine sog.
Bedarfsgemeinschaft. Die weiteren Ehefrauen ("Zweit- oder Drittfrau")
bilden
keine Bedarfsgemeinschaft mit ihrem Ehemann, sondern jeweils eine eigene
Bedarfsgemeinschaft.
Unterhaltsansprüche sind im SGB 11 nur dann relevant, wenn der
EhepartnerjVater nicht im Haushalt lebt und nicht selbst SGB
li-Leistungen bezieht.
Zu Ziff. 5 Ihrer Anfrage:
Leistungsberechtigt nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sind nur
Ausländer, die sich tatsächlich
im Bundesgebiet aufhalten. Auch nach dem SGB 11 erhalten nur die
Personen Leistungen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland
haben. Es hat daher weder im Asylbewerberleistungsgesetz
noch im SGB 11 Auswirkungen, wenn Familienangehörige im Ausland leben.
Zu Ziff. 6 bis 6.2 Ihrer Anfrage:
Die Frau kann die Aufhebung der Ehe beantragen. Für eine Scheidung kann
sie ggf. Prozesskostenhilfe bekommen, die kein Bestandteil des
Sozialleistungsrechts ist.
Zu Ziff. 7 Ihrer Anfrage:
Regelungen in anderen Ländern:
Es ist bekannt, dass das Schließen von bigamischen Ehen in ausländischen
Rechtsordnungen verÂ
schiedenen Vorgaben folgen muss. So schreibt z.B. das algerische
Familienrecht vor, dass für die Eheschließung mit einer weiteren Frau
ein berechtigter Grund vorliegen und die Gleichberechtigung der Frauen
gewährleistet sein muss. Die bisherige und künftige Ehefrau sind zu
unterrichten. Auch ist die Genehmigung des zuständigen Gerichts
erforderlich.
In der Türkei gilt der Grundsatz der Zivilehe, die als Einehe konzipiert
ist. Nach dem türkischen Zivilgesetzbuch hat derjenige, der erneut eine
Ehe schließen will, die Beendigung der vorangegangenen Ehe zu beweisen.
Wenn einer der Ehegatten im Zeitpunkt der Trauung verheiratet ist, ist
die Ehe nichtig.
Polygame Beziehungen:
Vom Verbot nach § 1306 BGB unberührt bleiben Ehen, die in Deutschland
nicht standesamtlich, sondern religiös geschlossen werden. Diese
entfalten keine Rechtswirkung und werden daher auch nicht als
formgültige Eheschließungen anerkannt. Ausgenommen hiervon sind
Geistliche anderer Staaten, die von ihrem Staat (z.B. Griechenland)
ordnungsgemäß ermächtigt wurden, in der Bundesrepublik Deutschland als
gültig anerkannte Eheschließungen (nach ihrem Heimatrecht) vorzunehmen.
Die betreffenden Geistlichen müssen jedoch beim Bundesverwaltungsamt
registriert sein.
Wie viele solcher polygamen Beziehungen bzw. "gleichzeitigen
eheähnlichen Beziehungen" es tatÂ
sächlich gibt, ist der Verwaltung nicht bekannt. Auch hier gibt es kein
zentrales Register noch liegen
diesbezügliche Eintragungen im Melderegister vor.
Mit freundlichen Grüßen
Monika Baumann
Bürgeramt
LeserFORUM:
Ihre Meinung dazu
(bitte mit angeben, auf welchen Beitrag sich Ihre Meinung bezieht)
Mehr
|
|