An den Oberbürgermeister
der Stadt
Heilbronn
*
20.086 Werkrealschulen
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
32 Lehrkräfte der
Albrecht-Dürer-Schule in Neckargartach wenden sich in einem mit
29.7.2020 datierten Schreiben, das am 17.8.2020 per Gemeinderatspost
hier eingegangen ist, an das Staatliche Schulamt, Frau BM Christner,
Frau Schüttler, Herrn Weimar und die Mitglieder des Gemeinderates
wegen der Frage - wörtlich - "Wie geht es mit dem Standort der
Werkrealschule bei uns in Neckargartach weiter?"
Man sei der Meinung, "dass diese besondere Zeit gezeigt hat, wie wichtig
es ist, mehrere
Werkrealschulstandorte in Heilbronn zu erhalten. Unsere Kolleginnen vor
Ort kennen die Familien und die Lebensumstände unserer Schüler am besten
und konnten dadurch einen engen Kontakt zu den Familien pflegen. Keine
Kinder wurden abgehängt oder nicht erreicht, wie es häufig in den Medien
besorgt angemahnt wurde. Diese Einbindung gelingt hervorragend in
kleinen, überschaubaren Einheiten. Unsere gebundene Ganztagesschule im
Sekundarbereich hat das ermöglicht."
Weiter heißt es: "Für uns ist die angedachte Schließung eines
funktionierenden Werkrealschulstandorts, der im Stadtteil verwurzelt und
vernetzt ist und wertvolle pädagogische Arbeit leistet nicht
nachvollziehbar. Außerdem ist zu beachten, dass ein erfahrenes
Kollegium, das sich mit
den örtlichen Gegebenheiten und Unterstützungssystemen bestens auskennt,
auseinander gerissen und in alle Winde zerstreut würde. Das wäre eine
Verschwendung von enormen pädagogischen Ressourcen."
Den Unterzeichner dränge sich der Eindruck auf, dass es wieder einmal so
zu sein scheint, dass eben die Schüler, über die man sich fürsorglich
als "abgehängte Schüler" in der Corona-Krise so große Sorgen gemacht
hat, zu den Verlierern der kommunalen Bildungspolitik werden.
Da könnte noch so sehr auf das "Abstimrnungsverhalten der Eltern mit den
Füßen" hingewiesen werden und Zahlen zum einzig bestimmenden Faktor
guter Pädagogik erhoben werden.
Nach Meinung der Lehrerschaft wäre die Stärkung der dezentralen
Werkrealschulstandorte eine visionäre Bildungspolitik, die den Mut hat,
sich an den pädagogischen und gesellschaftlich sinnvollen Sachverhalten
zu orientieren. Man sei dabei an Nachhaltigkeit interessiert, weil
Schulen Verlässlichkeit und Kontinuität brauchen, um vernünftig arbeiten
zu können. Der letzte Schulentwicklungsplan hätte keine fünf Jahre
Bestand gehabt
"Große Schulstandorte mit vielen Schülern sind zwar aus finanzieller und
organisatorischer Sicht wünschenswert, sie vertragen sich aber nicht mit
Schülern, die es eh schon schwer haben im Leben. Unsere Schüler brauchen
klare, einfache Regeln, kleinere Lernschritte und ein praxisorientiertes
Schulkonzept, das auf Erziehungsarbeit und die Förderung der
Ausbildungsreife ausgerichtet ist und das in einem wohnortnahen Umfeld.
Sie brauchen eine intensive, persönliche Betreuung, da sie von zu Hause
oft wenig Unterstützung bekommen können. Dies ist im gewohnten Umfeld,
wo die Lehrer einen stärkeren Einblick in die familiären Verhältnisse
haben, besser zu leisten", heißt es weiter..
Durch die Entstehung größerer Standorte würden Brennpunkte geschaffen,
deren sozialer
Sprengstoff jetzt noch gar nicht absehbar ist.
Wohin, unter anderem, solche Entscheidungen führen können, sei vor
kurzem in Stuttgart und Frankfurt eindrücklich zu beobachten gewesen.
Dass Heilbronn von solchen Ereignissen bisher verschont blieb, habe
sicherlich mit der guten Integrationsarbeit der Stadt und eben
insbesondere auch mit der Integrationsarbeit in den Schulen zu tun.
Das Kollegium betont: "Hier leisten die Werkrealschulen an ihren
Standorten wertvolle Arbeit. In den Vorbereitungsklassen werden seit
Jahren Kinder mit den unterschiedlichsten kulturellen und sprachlichen
Hintergründen durch engagierte Kollegen qualifiziert auf ihre
Schullaufbahn in unserem Schulsystem vorbereitet, um es ihnen zu
ermöglichen ein Teil unserer Gesellschaft zu werden. Auch bei diesen
Kindern, die zum Teil schwer traumatisiert sind, spielt die räumliche
Nähe zu ihrem Wohnort eine wichtige Rolle"
Die Unterstützer und das
Kollegium der Albrecht Dürer Schule bitten aus den genannten Gründen um
den Fortbestand des Werkrealschulstandortes in Neckargartach.
Dazu wird um
Beantwortung folgender Fragen gebeten:
1. Welche Stellungnahme gibt die Stadtverwaltung dazu ab;
2. wie geht es mit dem Standort
der Werkrealschule in Neckargartach weiter;
3.1 weshalb soll binnen 5 Jahren
ein neuer Schulentwicklungsplan umgesetzt werden;
3.2 hatte dieser welche Defizite und wer
hatte diesen damals vorgelegt;
4. ist Ziel der Maßnahmen, die
Bildung auf das Niveau der ideologisch gewollten Gesamtschulen
[Anm.: Schreibfehler, gemeint sind
Gemeinschaftsschulen] herunter
zu nivellieren;
5. welche der genannten
Erfahrungen gibt es in Stuttgart und Frankfurt und wie werden ähnliche
durch eine solche Schulpolitik gemachten Fehler in Heilbronn vermieden;
6. sind Lehrkräfte an unseren
Schulen beliebig verschiebbares "lebendes Inventar";
7. in welcher
Weise wird für Vermeidung der im Schreiben angesprochenen Probleme gesorgt werden?
Im Rahmen einer nachhaltigen und
sparsamen Haushaltsführung und einer umweltfreundlichen Reduzierung des
Papierverbrauchs bitten wir um Abhilfe, Stellungnahme und Rückantwort
per zeit- und kostensparenden einfachem eMail.
Vielen Dank.
Mit
freundlichen Grüßen
Unterzeichner:
Dr. Raphael Benner | Franziska
Gminder MdB | Dirk Schwientek | Michael Seher |
Alfred Dagenbach
<*> gerne
beantworten wir Ihre Anfrage vom 17.08.2020 wie folgt:
1. Welche Stellungnahme gibt die
Stadtverwaltung dazu ab?
Die Verwaltung hat dazu bereits am 04.08.2020
eine Stellungnahme abgegeben. Diese liegt Ihnen und allen anderen Mitgliedern des Bildungsbeirats
und des Gemeinderats vor.
2. Wie geht es mit dem Standort der
Werkrealschule in Neckargartach weiter?
Der Gemeinderat wird hierzu am 24.09.2020
(siehe DS 161/2020) entscheiden. Die Beschlussvorlage enthält dazu einen Vorschlag.
3.1 Weshalb soll binnen 5 Jahren ein neuer
Schulentwicklungsplan umgesetzt werden?
Die Schulentwicklungsplanung ist ein
andauernder Prozess, bei dem eine Periode von 5 Jahren ein
üblicher Zeitlauf ist, um auf festgestellte
bzw. zu erwartende Entwicklungen die notwendigen
Anpassungen vorzunehmen.
3.2 Hatte dieser welche Defizite und wer
hatte diesen damals vorgelegt?
Die Verwaltung hat im Jahr 2015 mit der
Drucksache 78 einen Vorschlag für die
Schulentwicklungsplanung der Stadt Heilbronn
vorgelegt. Diese erfolgte auf der Grundlage einer
Datenauswertung durch das Büro biregio, für
den Zeitraum von ca. fünf Jahren - 2014/15 bis 2020/21.
Der Gemeinderat hat hierüber in gemeinsamer
Sitzung mit dem Jugendgemeinderat am 12.05.2015
mit großer Mehrheit entschieden. Die
Vorschläge bzw. Beschlüsse zur Schulentwicklung wurden
bedarfsgerecht und auf der Grundlage der
Daten und Fakten aus den Jahren 2014/2015 gefasst und
sind zwischenzeitlich fast vollständig
umgesetzt. Der Verwaltung erschließt sich nicht, weshalb von
"Defiziten" gesprochen wird. Ein Prozess zur
Fortschreibung ist ein übliches Vorgehen.
4. Ist Ziel der Maßnahmen, die Bildung auf
das Niveau der ideologisch gewallten Gesamtschulen
[Anm.: Schreibfehler, gemeint sind
Gemeinschaftsschulen]
herunter zu nivellieren?
Im Stadtgebiet von Heilbronn besteht keine
Gesamtschule. Falls die Schulform der
Gemeinschaftsschule gemeint ist, verweisen
wir auf die Aussage, dass derzeit kein ergänzender Bedarf über die beiden bestehenden
Gemeinschaftsschulen im Stadtgebiet hinaus gesehen wird.
5. Welche der genannten Erfahrungen gibt es
in Stuttgart und Frankfurt und wie werden ähnliche
durch eine solche Schulpolitik gemachten
Fehler in Heilbronn vermieden?
Geschehnisse in anderen Städten ursächlich
auf deren Schulpolitik zurückzuführen und daraus eigene Handlungsweisen abzuleiten, entspricht nicht
der Haltung der Stadtverwaltung Heilbronn -siehe auch Stellungnahme vom 04.08.2020
[Anm,:
Heilbronner Weg
]).
6. Sind Lehrkräfte an unseren Schulen
beliebig verschiebbares "lebendes Inventar"?
Als Landesbeamte werden die Lehrkräfte durch
das Staatliche Schulamt Heilbronn vertreten, welches bei allen Schulentwicklungsprozessen
beteiligt wird - so auch im laufenden Prozess zur
Fortschreibung. Die Stadt als Schulträgerin
hingegen hat die vorrangige Aufgabe, allen Schülerinnen
und Schülern in zumutbarer Entfernung von
ihrem Wohnort einen Bildungsabschluss entsprechend
ihren Begabungen und Fähigkeiten zu
ermöglichen und gleichzeitig leistungsstarke und effiziente
Schulstandorte zu sichern.
7. In welcher Weise wird für Vermeidung der
im Schreiben angesprochenen Probleme gesorgt werden?
Mit der Stellungnahme vom 04.08.2020
betrachten wir das Schreiben als hinreichend beantwortet.
Bitte achten Sie auf sich und bleiben Sie
gesund.
gt:
Freundliche Grüße
Harry Mergel
Oberbürgermeister
LeserFORUM:
Ihre Meinung dazu
(bitte mit angeben, auf welchen Beitrag sich Ihre Meinung bezieht)
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