Dieter Seeger erinnert im Schreiben daran, daß
einige Gemeinderäte am 30.12.2017 an einer Diskussions- und
Informationsveranstaltung zum Thema „Tiere im Circus“ im Heilbronner
Weihnachtscircus teilgenommen hatten: „Wir hatten damals den
Eindruck, dass bei einigen Gemeinderäten der Anstoß zu einem
Umdenken zu Gunsten des Circus mit Tieren gegeben wurde. Am Ende
konnten wir mit dem positiven Gefühl aus der Veranstaltung gehen,
tatsächlich etwas erreicht zu haben. Dieser positive Eindruck
begründete sich vor allem auf dem Versprechen einiger Räte das Thema
im Lauf des Jahres 2018 noch einmal im Gemeinderat zur Debatte zu
bringen. Deshalb unser heutiges Anschreiben, mit der Bitte, Ihr
Versprechen einzulösen und das Thema „kommunales Wildtierverbot in
Heilbronn“ noch einmal im Gemeinderat aufzugreifen. Gerne sind wir
dann auch bereit, unsere Argumente noch einmal vorzutragen“.
Beigefügt hatte er eine nach neuester
Rechtsprechung überarbeitete Stellungnahme. In dieser kommt es zu
klaren Aussagen:
Stellungnahme
Eine Einschränkung bei der Vergabe der städtischen Plätze, sowie der
beiden Festplätze „Theresienwiese“ und „Viehweide“ an
Zirkusunternehmen, die bestimmte Tierarten mit sich führen, ist
sowohl aus rechtlicher Sicht, wie auch aus logischer Sicht und erst
recht nicht aus wissenschaftlicher Sicht zu begründen und somit
abzulehnen.
Rechtliche Bewertung
Ein Verbot des Mitführens bestimmter Tierarten ist rechtswidrig.
Grundlage für eine solche Entscheidung kann nämlich nur das
Tierschutzgesetz sein. Dieses Gesetz ist Bundesrecht und kann daher
nicht durch kommunales Recht gebrochen werden.
Jedes Zirkusunternehmen muss, um Tiere mit-
und vorführen zu dürfen, eine Genehmigung nach § 11 Tierschutzgesetz
beantragen.
Liegt eine solche Genehmigung vor, kann sie nicht durch kommunale
Regelungen eingeschränkt werden. Zudem würde ein Verbot eine
Einschränkung des Grundrechts auf freie Berufswahl beinhalten, wie
schon mehrere Verwaltungs- und sogar Oberverwaltungsgerichte (u.a.
Lüneburg, Greifswald, Minden, Hannover, Düsseldorf, Darmstadt,
Chemnitz) festgestellt haben. (siehe Linkliste am Ende des
Schreibens)
Der Verweis auf Anträge des Bundesrates ist
irrelevant, da alle Anträge im Bundestag mit demokratischer
Abstimmung abgelehnt wurden.
2015 stellte der wissenschaftliche Dienst des Bundestages fest, dass
es im deutschen Circus keine Nachweise für systemimmanente
Tierquälerei gibt und damit ein bundesweites Wildtierverbot nicht
gerechtfertigt wäre.
Ebenso hat 2017 der Bundesumweltausschuss gegen kommunale
Wildtierverbote abgestimmt.
Die Forderung nach einem Wildtierverbot entspringt also keiner
logischen, oder wissenschaftlichen Grundlage, sondern lediglich
emotionalen, auf falschem Ethikverständnis basierenden und letztlich
tierrechtsideologischen Denkweisen.
Logische Folgerungen
Der Appell an die Zirkusunternehmen, evtl. auf freiwilliger Basis
auf Tiere bestimmter Arten zu verzichten, ist verwerflich, da eine
Ablehnung des „freiwilligen“ Verzichts zwangsläufig zu einer
Ablehnung des Antrages auf ein Gastspiel des betroffenen
Zirkusunternehmens führen würde.
Weiter gilt hier zu bedenken, dass
Zirkusunternehmen auf ihrer Tournee die gesamte Menagerie mitführen.
Müssten sich die Unternehmen in jeder Kommune nach individuellen
Regelungen richten, würde sich jedes Mal die Frage stellen, wo
diejenigen Tiere untergebracht werden können, die in der jeweiligen
Kommune von einem Verbot betroffen sind. Dies ist von den
Unternehmen logistisch nicht zu bewältigen.
Weiter ist davon auszugehen, dass einzelne
kommunale Verbote den Zirkusunternehmen die Existenzgrundlage
entziehen. Die Tiere sind vorhanden, müssen versorgt werden und
können nach einem Verbot nicht kurzfristig abgeschafft werden. Auch
verlängern sich die Transportwege dadurch unzumutbar.
Alle Forderungen nach Wildtier- bzw.
Tierverboten im Zirkus begründen sich auf ideologische und
emotionale Argumente von teilweise radikalen und fanatischen
Tierrechtsorganisationen. Wissenschaftliche Nachweise für die
Behauptungen, dass Tiere unter Reisestress leiden, oder nicht
„artgerecht“ gehalten werden können oder unter der Dressur leiden,
konnten bisher nicht erbracht werden. Diese beruhen ausschließlich
auf Meinung und Glaube, begründet auf einer Vermenschlichung der
Tiere und der Forderung nach gleichen Rechten für Tiere, wie sie
auch Menschen zugestanden werden.
So stammt auch die gerne zitierte
Presseerklärung der Bundestierärztekammer aus dem Jahr 2010 und ist
zwischenzeitlich völlig überholt. In der Bundestierärztekammer,
insbesondere bei der TvT (Tierärzte für Tierschutz), einer
Gruppierung innerhalb der Tierärztekammer, die sich überwiegend mit
Wildtieren auseinandersetzt, hat ein sehr gravierendes Umdenken
stattgefunden. So vertritt z.B. Hr. Dr. Triphaus-Bode,
Vorstandsmitglied in der Bundestierärztekammer und Mitglied in der
TvT, sowie ehemaliger Leiter des Veterinäramtes in Minden, die
Meinung, dass ein Verbot von Tieren im Zirkus nach heutigem Stand
der Tierhaltung in Zirkusunternehmen nicht erforderlich sei.
Diese Meinung wird von vielen Fachleuten innerhalb der
Tierärztekammer unterstützt, so dass die Bundestierärztekammer am
24.09.2016 extra eine neue, zwar kritisch formulierte
Presseerklärung herausgebracht hat, die aber keinerlei
Verbotsforderung mehr enthält.
Wissenschaftliche Bewertung
Lange Zeit war man auch unter Fachleuten der Meinung, dass der
ständige Ortswechsel der Zirkusunternehmen für die Tiere Stress
bedeutet.
Auch diese Ansicht konnte durch diverse wissenschaftliche Studien
widerlegt werden.
So wurden erst in den letzten drei Jahren
bei Raubkatzen und Elefanten während der Reise und im Ruhezustand
Messungen der Cortisolwerte (dies ist das Stresshormon) im Speichel
und Kot durchgeführt, die durchweg bewiesen, dass diese Tiere keinem
Reisestress ausgesetzt sind, da die Werte während der Reise nicht
von den Werten im Ruhezustand abwichen.
Die Tiere im Zirkus sind von
„Säuglingsbeinen“ an das Reisen gewöhnt. So steigt ein Zirkustier
völlig freiwillig in sein Transportfahrzeug, das oft auch sein
Stall, sein Heim erster Ordnung ist, wie der Familienhund auf den
Rücksitz des Autos springt, wenn es zum Spazieren in den Wald geht.
Ein normaler Platzwechsel beträgt im
Durchschnitt ca. 60 Kilometer. Die Cortisoltests wurden bewusst auf
besonders langen Platzwechseln durchgeführt. So von Prof. Dr.
Birmelin (Verhaltensforscher aus Freiburg) bei den Löwen vom Circus
Krone auf der Reise von Monte Carlo nach München, bei den Elefanten
vom Elefantenhof in Platschow, ebenfalls auf der Reise von Monte
Carlo nach Platschow und von Dr. Fey (Elefantentierarzt aus Lübeck)
bei den Elefanten des Zirkus Charles Knie auf der Reise von Hamburg
nach Kassel.
Alle Untersuchungen kamen zu dem Ergebnis,
dass die Tiere von der Reise völlig unbeeinflusst sind und keinerlei
Anzeichen von Stress zeigen.
Eine weitere, sehr umfangreiche
Untersuchung über das Wohlbefinden von Tieren im Zirkus, wurde von
Dr. Kiley- Worthington in England, Ende der 90er Jahre im Auftrag
von mehreren Tierschutz- und Tierrechtsorganisationen durchgeführt
und kam zu dem Ergebnis, dass Tiere im Circus nicht schlechter
leben, als Tiere in anderen Haltungseinrichtungen wie z.B.
Tierparks, oder Zoos. Zu berücksichtigen ist hier besonders das
Alter der Studie, da sich seither weiter sehr viel zum Wohl der
Tiere verändert hat.
Nun noch zu den oft behaupteten
„Verhaltensstörungen“ bei Wildtieren, die von Tierrechtlern bei
Elefanten in Form des Webens und bei Raubkatzen in Form des am
Gitter entlang Streifens angeblich beobachtet wird. Bei diesen
Beobachtungen handelt es sich regelmäßig um Momentaufnahmen. Deshalb
hat Prof. Dr. Birmelin bei den Elefanten des Zirkus Charles Knie
eine Langzeitbeobachtung über mehrere Tage, 24 Stunden pro Tag,
durchgeführt, die zu dem Ergebnis kam, dass keiner der Elefanten
unter einer Verhaltensstörung leidet. Weben ist nicht grundsätzlich
als Störung des Verhaltens zu betrachten, sondern kommt auch in
besonderen Situationen vor. So z.B. als Erwartungshaltung, wenn das
Futter gereicht wird, kurz vor Beginn der Zirkusvorstellung, oder
wenn die Körperpflege (die von den Elefanten sehr geliebt wird)
ansteht, auch wenn das Entladen am neuen Gastspielort bevorsteht,
wie auch zu anderen Gelegenheiten. So ergab die Langzeitbeobachtung
von Prof. Dr. Birmelin, dass die Elefanten insgesamt zwischen 0% der
Beobachtungszeit (bei einem der Elefanten wurde überhaupt kein Weben
beobachtet) und 0,8% der Beobachtungszeit webten. Dies immer dann,
wenn wie oben beschrieben, ein besonderes Ereignis zu erwarten war.
Bemängelt werden auch die häufigen
Ortswechsel bei den Zirkustieren und dass die Tiere auf Grund dessen
kein Revierverhalten entwickeln können. Auch dies wurde
zwischenzeitlich als völliger Unsinn erkannt. Zum einen nehmen die
Zirkustiere jedes Mal ihren Stall, also ihr bekanntes Heim erster
Ordnung mit zum neuen Standort, zum anderen stellte man fest, dass
gerade die Veränderung der Umgebung, dieser sind die Tiere auf ihren
Wanderungen in „freier Wildbahn“ ebenfalls unterworfen, eine
positive Stimulanz der Psyche der Tiere bedeutet.
So versucht man inzwischen in Zoos durch
unregelmäßige Veränderung der Umgebung in den Gehegen Abwechslung
für die Tiere zu schaffen. Beim Zirkus erhalten die Tiere diese
Abwechslung durch die Ortswechsel.
Käfig und Auslauf
Zuletzt seien die „kleinen Käfige“ und Ausläufe der Tiere
angesprochen.
Die Käfiggrößen und die Gehegegrößen werden in den Leitlinien, an
die sich die meisten Zirkusunternehmen zum Einen freiwillig halten,
und die zum Anderen meist Auflage in den Genehmigungen nach §
11sind, vorgegeben. In vielen Zirkusunternehmen werden diese
Vorgaben entsprechend des jeweiligen Gastspielplatzes regelmäßig
weit übererfüllt.
Wenn man weiß, dass Wildtiere sich in
freier Wildbahn nur bewegen und Wanderungen durchführen, weil sie
durch die Nahrungs- und Wassersuche dazu gezwungen werden,
relativiert sich auch die angeblich fehlende Bewegungsfreiheit. Eine
Raubkatze, die satt ist, bewegt sich über Tage kaum, bis der Hunger
sie wieder auf die Jagd treibt. Gleiches trifft auf Elefanten zu.
Würde man einem Elefanten in freier Wildbahn an einer Stelle Wasser
und Futter in ausreichender Menge zur Verfügung stellen, würde er
sich so lange nicht weiter als wenige Meter von dieser Stelle
wegbewegen, bis die Vorräte verbraucht sind.
Artgerecht ist eben nicht nur die Freiheit,
sondern artgerecht ist dort, wo sich das Tier wohl fühlt.
Und inzwischen liegen ausreichende
wissenschaftliche Belege dafür vor, dass sich Tiere im Zirkus wohl
fühlen.
Fazit: Ein Verbot von Tieren im
Zirkus ist überflüssig.
Jedes Zirkusunternehmen wird in jeder Gastspielstadt von
Amtsveterinären kontrolliert. Diese Kontrollen verlaufen in der
Regel ohne Beanstandungen. Dies bedeutet, die Tiere werden
vorschriftsmäßig gehalten, der Gesundheitszustand ist gut. Bei
keinem der Tiere werden Leiden oder Schmerzen festgestellt. Das
Tierschutzgesetz und die Forderungen der Leitlinien werden erfüllt.
Die Zuschauerresonanz zeigt ebenfalls
eindeutig, dass der Zirkus – mit vielen Tieren – immer noch eine
sehr große Anziehungskraft auf die Menschen ausübt.
Gerade in Heilbronn beweist dies jedes Jahr der Heilbronner
Weihnachtscircus mit ca. 80.000 Besuchern. Nicht umsonst wurde der
HWC in einem der vergangenen Jahre zum zweitbeliebtesten Event der
Region gekürt und in einer aktuellen Umfrage der „Heilbronner
Stimme“ belegte er Platz 3 in der Kategorie „Kunst und Kultur“.
Es ist schlicht eine Behauptung von
Tierrechtsorganisationen, deren „Endziel“ die Abschaffung aller
Tiere aus Menschenhand ist, sowie die Etablierung einer veganen
Gesellschaft, dass 82 % der Bevölkerung Zirkus mit Tieren ablehnen.
So zeigte eine kürzlich durchgeführte Umfrage des „Main-Echo“ in
Aschaffenburg, dass der Zirkus mit Tieren von 87 % der Bevölkerung
gewünscht ist und dem OB der Stadt Aschaffenburg konnten 1.098
Unterschriften „Pro Tierzirkus“ übergeben werden, die während des
4-tägigen Gastspiels des Zirkus Charles Knie ohne besondere Werbung,
lediglich von Besuchern aus der Stadt und dem nahen Umfeld,
gesammelt werden konnten. Entsprechende Petitionen von
Tierrechtsorganisationen kommen über Zeiträume von mehreren Wochen
und bundesweit durchgeführt auf nicht wesentlich höhere Zahlen.
Tierquälerei im Zirkus existiert nur in den
Köpfen und Flyern von Tierrechtsextremisten und werden leider durch
ein sehr gutes und ausgeklügeltes Marketingkonzept in die Politik
getragen.
Nur wer sich den wissenschaftlichen
Erkenntnissen nicht verschließt und den Erfahrungen aus der Praxis
folgt, sich evtl. selbst vor Ort bei einem guten Zirkus informiert
ist in der Lage objektiv und richtig zu urteilen.
Wir appellieren an die Vernunft der
Heilbronner Ratsmitglieder, sich nicht von radikalen Meinungen und
Irrglauben beeinflussen zu lassen und das Thema „Wildtierverbot in
Heilbronn“ erneut im Gemeinderat zu behandeln und den bestehenden
Beschluss aufzuheben.
Abschließend werden Verweise zu Urteilen
und Stellungnahmen aufgeführt.