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1. Welche Stellungnahme gibt die
Verwaltung zu diesem Schreiben (siehe Anlage) ab?
2. Was
unternimmt die Verwaltung, um die - mehrfach auch von uns
- angesprochenen Probleme zu beheben?
Anlage:
An
Gemeinderat der Stadt Heilbronn
...
Deutschland Gratkorn, 12. Januar 2007
Offener Brief an alle Gemeinderäte der Stadt Heilbronn
hinsichtlich der Wohnsituation in Alt-Böckingen
Sehr geehrte...,
Anlass meines Schreibens ist der am 24. 10. 2006 in der
Heilbronner Stimme erschienene Artikel Die soziale
Mischung stimmt nicht mehr, welcher die
Wohnsituation in Alt-Böckingen zum Thema hat.
Ich selber bin in dem Viertel (zwischen dem Güterbahnhof
und der Ludwigsburgerstrasse einerseits sowie der
Seestraße bis zum Bahnübergang Sonnenbrunnen
andererseits), welches in dem erwähnten Artikel
beschrieben wird, aufgewachsen. Dieses Viertel ist nicht
Alt-Böckingen, wie fälschlicherweise in der Heilbronner
Stimme geschrieben, sondern nur ein Teil davon. Dessen
Entwicklung habe ich über die vergangenen vierzig Jahre
miterleben können. Wie viele andere Bürger bin auch ich
über die Entwicklung der Wohnsituation und
Lebensqualität in diesem Viertel zunehmend besorgt.
Daher möchte ich Sie bitten sich für eine Verbesserung
dieser Situation einzusetzen.
Alt-Böckingen, war zwar nicht das Paradies, um
aufzuwachsen, aber es war im Gegensatz zu heute ein
lebendiger Stadtteil in dem man sich gegenseitig kannte.
Das im Artikel gescholtene Viertel hatte zahlreiche
Handwerker (z.B. Glaserei Junt, Schlosserei Brunner),
Fachgeschäfte (Textilien Schattka, Handarbeiten Kurz,
Schuhgeschäft Rieker, Elektro Haag, Gardinengeschäft
Müller), Metzgereien (Familie Metzger) und Bäckereien
(Eder), Lebensmittelhändler (Feinkost Ludewig), Drogerie
(Dörsam), Schumacher, gutbürgerliche Gaststätten
(Sängerlust, Hummel), Sportgeschäft (Rolshausen) und
ganz früher gab es gegenüber der Sparkasse sogar ein
richtiges Kino namens Gloria.
In diesem kleinen Universum lebten alteingesessene
Böckinger Familien mit Gastarbeiterfamilien einträchtig
zusammen, zum Teil sogar unter ein und demselben Dach.
Obwohl es naturbedingt hier und da auch mal kleinere
Reibungspunkte gab, funktionierte das Zusammenleben im
Großen und Ganzen aber recht gut. Dieses Alt-Böckingen
hatte früher ein eigenes, erkennbares Profil. Es bildete
eine kleine lebensfähige Stadt neben dem großen
Heilbronn, von dem man, durch den Neckar getrennt, nur
einen Katzensprung entfernt liegt.
In den siebziger Jahren wurden die noch übrig
gebliebenen Bauernhöfe ausgesiedelt. Das Bürgerhaus
wurde gebaut, welches gerade Alt-Böckingen gegenüber
anderen Stadteilen sehr aufgewertet hat. Hinzu kam das
Berufschulzentrum im Haselter mit Hauswirtschaftlichem
Gymnasium. Im Zuge der Verlängerung der Neckartalstraße
wurden die Durchgangsstraßen Klingenberger Straße und
Ludwigsburger Straße verengt. Alt-Böckingen wurde
verkehrsberuhigt und außerdem begrünt. Dadurch erhöhte
sich die Wohn- und Lebensqualität deutlich. Man bekam
das Gefühl endlich zu den anderen Stadtteilen
aufgeschlossen zu haben. Das letzte größere Projekt
stellte vor wenigen Jahren die Bebauung des Gebietes um
den Wasserturm dar. Dies ging einher mit der Anlegung des
angrenzenden Parkes einschließlich See auf dem
ehemaligen Ziegeleigelände.
All diese aufgeführten Baumassnahmen führe ich als
Beispiele für eine gelungene Stadtentwicklung dar, nicht
zuletzt deswegen, weil sie von der Bevölkerung dankbar
angenommen wurden.
Diesen positiven Entwicklungen stehen in den vergangenen
Jahren in der Tat auch zunehmend negative gegenüber. Wie
in dem erwähnten Zeitungsartikel richtig beschrieben
wurde, verfallen manche Teile Alt-Böckingens zusehends,
ohne daß scheinbar etwas dagegen unternommen wird.
Diesbezüglich besonders auffällig ist tatsächlich das
beschriebene Viertel, gerade weil es an einer der beiden
aufgeführten Hauptstraßen (nämlich der Klingenberger
Straße) liegt. Mit diesem Verfall geht natürlich ein
Verlust der Attraktivität, des gesamten Alt-Böckingens
einher.
Dieser Imageverlust zieht einen Wegzug der
alteingesessenen Bevölkerung nach sich, die ihre Zukunft
außerhalb von Alt-Böckingen sieht und in die so
genannten besseren Wohngegenden abwandert. Wer zuzieht,
entstammt meistens weniger begüterten
Bevölkerungsschichten, es sind oft Ausländer oder
andere sozial schwache Gruppen wie beispielsweise
Spätaussiedler. Von der Erbengeneration, die wegzieht,
werden sanierungsbedürftige Altbauten an die
Neuankömmlinge verkauft. Diese Altbauten können dann
aber von den neuen Besitzern aus finanziellen Gründen
oft nicht ausreichend renoviert bzw. saniert werden.
Ausnahmen, welche es ausdrücklich auch gibt, bestätigen
hier leider die Regel. Eine Ursache für diese negativen
Entwicklungen stellt somit nicht der Zuzug von
Ausländern dar sondern der Wegzug der deutschen
Mittelschicht.
Auch das Einkaufsverhalten der Bevölkerung verändert
sich, bedingt durch ihre schwächeren Einkommen. Dies
wiederum macht es den Fachgeschäften oft schwer, zu
überleben. Große Ladenketten bzw. Supermärkte tun ein
Übriges dazu, den Einzelhandel zu verdrängen.
Diese Entwicklung setzt eine Art Abwärtsspirale in Gang.
Mit der Zeit veramt der Stadtteil, was vor allem auch an
der Verwahrlosung früher einmal ansehnlicher Wohn- und
Geschäftshäuser sichtbar wird. Ein ehemals lebendiger
Stadtteil entwickelt sich zunehmend in eine anonyme
Wohngegend mit wachsenden sozialen Problemen und
Konflikten. Diese Entwicklung zeichnete sich wie schon
längere Zeit ab und konnte auch im Rathaus schwerlich
übersehen werden:
Seit Anfang der neunziger Jahre verschwindet der Fach-
und Einzelhandel langsam aber sicher aus Alt-Böckingen.
Die meisten der eingangs erwähnten Geschäfte gibt es
schon lange nicht mehr, ebenso wenig wie das Postamt oder
die einst lokal bekannten Gaststätten mit
gutbürgerlicher Küche. Damit verschwindet aber auch der
Raum wo gesellschaftliches Leben stattfand,
wo geschwatzt wurde und Neuigkeiten ausgetauscht wurden,
wo man sich traf und kennen lernte. Die an ihrer Stelle
entstandenen Kebapstuben, Wettbüros, Internetcafes und
Discounter bilden gerade für die älteren Bewohner
keinen Ersatz. Insbesonders dann nicht, wenn die
Verkäufer lustlos sind und der Laden, wie im Falle des
Supermarktes am Sonnenbrunnen, innen wie außen ein
ungepflegtes Erscheinungsbild abgibt.
Dennoch hätte dieser negativen Entwicklung mit
verhältnismäßig einfachen Mitteln rechtzeitig
entgegengewirkt werden können: Durch die Schaffung von
attraktivem Wohnraum und eines schönen Wohnumfeldes
hätte man junge deutsche Mittelschichtfamilien anlocken
können. Dazu gab es eine günstige Gelegenheit als die
Deutsche Bahn sich von ihren ehemaligen Wohnblöcken im
Viertel trennte. Ein Aufkauf durch die Stadt Heilbronn
sowie eine nachfolgende Umwandlung bzw. ein Neubau von
Eigentumswohnungen hätten sicher helfen können, eine
anziehende Wohngegend an der Friedrich- und
Friedenstrasse mit aufzubauen. Somit wäre die Stadt auch
dem im Stadtentwicklungsplan gesetzten strategischen Ziel
einer qualitativen Aufwertung der Ortskerne schnell
näher gekommen.
Weitere Möglichkeiten wären die Bereitstellung von
zinslosen Darlehen für Hauseigentümer zum Zwecke von
Hausrenovierungen. Dies sollte einhergehen mit einem
städtischen Sanierungsplan, der die Umgestaltung,
Begrünung und Zusammenlegung von Hinterhöfen fördert.
Es gab bedauerlicherweise schon seit jeher in
Altböckingen viele ungepflegte und schlecht genutzte
Hinterhöfe, welche mit irgendwelchen Schuppen und alten
Garagen bebaut sind. Hierin sehe ich eine weitere große
architektonische Chance zur Aufwertung des Stadtbildes,
welche sich auch positiv auf das Zusammenleben der
Bewohner auswirken könnte.
Der Hauptgrund dafür, daß es zu dieser schleichenden
Verwahrlosung von Alt-Böckingen kommt, ist, daß eine
Entwicklungspolitik für diesen Stadtteil mittlerweile
vollkommen fehlt. Dies wird gerade am
Stadtentwicklungsplan Heilbronn 2020 deutlich. Darin gibt
es nur eine einzige konkrete Maßnahme, welche die
Entwicklung des alten Böckinger Kernes zum Ziel hat: die
Neugestaltung des Spielplatzes an der Schuchmannstraße
(Nähe Bürgerhaus).
Leider kommt für eine mögliche positive Entwicklung in
Böckingen erschwerend hinzu, daß von Seiten der
Stadtverwaltung offensichtlich wenig Verständnis für
die Eigenheiten und Bedürfnisse dieses Stadtteiles
besteht. Mangelnde Sensibilität wurde beispielsweise
deutlich, als versucht wurde, mit fragwürdigen
Argumenten den allseits beliebten und zentral gelegenen
Friedhof an der Heidelberger Straße zu schließen.
Dieser wird sowohl von Alt-Böckingen als auch der Schanz
und dem Kreuzgrund benutzt. Dies geschah, obwohl schon
während einer Ortsbegehung durch den Oberbürgermeister
offene und deutliche Kritik an diesem Vorhaben geäußert
wurde. Die Schließung des Friedhofes wurde am Ende von
einer Bürgerinitiative erfolgreich verhindert.
In den Medien und im Stadtentwicklungsplan wurde von den
Plänen der Stadt Heilbronn berichtet, einen neuen
Stadtteil namens Neckarvorstadt zu bauen. Diese Absichten
erscheinen auf den ersten Blick reizvoll, lösen aber die
beschriebenen und bestehenden Probleme des größten
Stadtteiles (Alt-)Böckingen in keinster Weise.
Es würde mich daher sehr freuen, wenn Sie sich für die
Entwicklung von Alt-Böckingen in Zukunft verstärkt
einsetzten würden.
Es wäre auch schön, wenn Sie mir antworten würden, was
Sie hinsichtlich der beschriebenen Probleme konkret zu
unternehmen gedenken, um die Wohnsituation in
Alt-Böckingen nachhaltig zu verbessern.
Mit freundlichen Grüßen
...